Na, wer erinnert sich noch? Vor ein paar Jahren konnte keine Uhr teuer genug sein, für die modeaffinen Style-Bonzen. Uhren mit Brillis, Fliegeruhren mit geschätzten zehn Zifferblättern, Breitling, Rolex, Nivrel – ihr wisst Bescheid. Man kann verstehen, dass sich manch einer, der jahrelang für seine Nobel-Uhr sparen musste ziemlich angefressen vom 50 Euro-Gumwatch-Trend war. Die Promis machten es vor und tauschten die Klunker an den Handgelenken auf einmal durch Modelle von Baby G oder 80’s Modelle von Casio aus. Was war passiert?
Die Rechnung ist im Prinzip ganz leicht. Während das vergangene Jahrzehnt das Revival-Jahrzehnt der 60er/70er gewesen ist, kommen heute noch die Retro-Looks aus 80ern und 90ern hinzu, werden in einen Topf geworfen und kräftig miteinander vermischt. Heraus kommt ein schwer zu definierender Modestil, der irgendwo zwischen Extremen wie „Hipster“ und „Markenfetisch“ schwankte und der bis heute anhält. In diese schwer definierbare Modephase passten die Billo-Uhrenmodelle wie kaum sonst etwas. Natürlich mussten diese bunten Uhren zurückkommen. Und natürlich wurde es irgendwann Zeit, dass die eigentlich nie so richtig cool gewesenen Casio-Digitalmodelle cool werden.
Die G-Shock, die Baby G oder die Modelle von Casio mit kryptischen Namen wie A159WGEA, A163WA oder LA670WEGA-1EF, die allesamt in der schon als „Retro“ bezeichneten Kollektion wiederbelebt wurden, haben (zusammen mit den zahllosen Kopien anderer Hersteller) die Handgelenke der Jugend zurückerobert. Hierbei handelt es sich um einen Trend, der natürlich schon eine ganze Weile schwelt und der auch bereits stark ausgereizt wurde. Gleichzeitig kann man auch verstehen, dass er so populär geworden ist. Es kommt selten vor, dass etwas cool ist, was als Produkt sehr günstig ist. Hier ist es geschehen. Es ist doch gerade für die Kids, die finanziell weniger gut gestellt sind, ein Geschenk, dass hier ein Accessoire in ist, dass sich auch wirklich jeder leisten kann.
Während also vor wenigen Jahren noch die Preise, die eine „ordentliche“ Uhr zu kosten haben sollte immer mehr ins Absurde rutschten, starteten kluge Style-Menschen einfach den Gegentrend, indem sie aus dem Schmuckkästchen ihrer Mutter die alte Casio rauskramten oder sich einfach die alte Baby G des großen Bruders stibitzten.
Gerade die Gumwatches schaffen es mit ihren leuchtenden Farben, kleine Akzente im Outfit zu setzen. Wenn sich etwa die Farbe der Sneakers, des Tuches oder des Caps an der Uhr wiederfindet, der restliche Dress aber durch zurückhaltenden Stil und Farbwahl glänzt, dann handelt es sich dabei um ein Gegensatz-Paar, wie es für ein modernes Outfit nicht geiler sein könnte.
Hässlich wird es hingegen, wenn die bunte Plastik-Uhr nur ein Element eines kunterbunten Colorblocking-Outfits wird. Wer grüne Hosen zu rotem Pulli zu blauen Schuhen und pinker Uhr trägt, der sieht leider noch immer wie ein Clown aus – und die eigentlich stylische Uhr geht im restlichen Kleidungs-Farbwahn völlig unter. Klassischer Fail, um es mal auf neudeutsch zu sagen.
Doch der Gumwatch-Look sieht nicht nur in den leuchtend-bunten Farben gut aus. Auch schwarze, weiße oder graue Modelle stehen krassem Türkis oder Pink in nichts nach (im Gegenteil, sie sehen nicht selten sogar eine Ecke besser aus).
Fassen wir also zusammen: Nicht nur die 80s, auch die 90s sind ganz offiziell zurück und haben ihr zweifelhaftes Uhrensortiment mitgebracht. Wer mitmacht, der achtet darauf, Colorblocking mit zu vielen „Gegensatzfarben“ zu vermeiden, legt sich ein Modell an und trägt dazu EIN farblich passendes Accessoire oder Kleidungsstück. Die Casio-Modelle hingegen passen am besten zu schlichten Outfits. So oder so – die Modelle sind günstig und retro ist in. Die Fliegeruhr-Fans wird’s nerven, ändern können sie es nicht. Vielleicht beruhigt sie ja auch der Gedanke zu wissen, dass ihre Zeit auch wieder zurückkommt – früher oder später.